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Peter Marx

Hallo Klaus, wer ist Lina?


Lieber Klaus, wer ist Lina?

Lina ist in erster Linie eine literarische Figur. Erzählungen über meine Großmutter gleichen Namens haben für sie Pate gestanden. Das Buch folgt nicht exakt der Biografie der realen Lina, sondern versteht sich als Zeitgemälde, stellvertretend für Millionen Frauen ihrer Generation.

Du hast mit Lina zum zweiten Mal biographisches Material aus Deiner Familie genutzt, um daraus einen Roman im Zwischenbereich zwischen Fiktion und historischer Dokumentation zu machen – darf ich das so sagen? Was reizt Dich an dieser quasi autofiktionalen Herangehensweise?

Wahrscheinlich wird in allen Familien über Verwandte gesprochen, die ein besonderes Schicksal erlitten haben. Oder Eltern und Großeltern erzählen über sich. Das ist auch in meiner Familie der Fall. Dadurch werden diese Stoffe für mich hautnah und besonders interessant.

In meiner Familie sind es keine Personen, die in der Geschichte besondere Rollen eingenommen hätten. Über "ganz normale" Menschen und das, was sie erdulden mussten, wollte ich schreiben. Um an ihre Schicksale zu erinnern und uns Gegenwartsmenschen vor Augen zu halten, was es an Werten und Erarbeitetem zu verteidigen gilt.

Ein Schicksal unter Millionen, herausgegriffen, unter die Lupe gehalten, und es wird zur neuen Facette eines Zeitbildes, berührend und informativ zugleich. Wie gelang es Dir, Dich so in die Gedankenwelt Deiner Großmutter hineinzufühlen?

Tatsächlich waren diese Generationen nicht gewohnt, über eigene Bedürfnisse und Wünsche zu sprechen. Daher musste ich die Gedankenwelt von Lina komplett aus mir selbst schöpfen, denn niemand konnte darüber berichten.

Es wäre leicht gewesen, Lina aus einer heutigen, abgeklärten, medial bestversorgten, überlegenen Perspektive zu begegnen. Daraus wäre ein anderes Buch entstanden. Ich wollte mich in meine Protagonistin hineinversetzen, ihr eine Stimme geben, die ihrem Aufwachsen und Lebensweg entspricht. Ohne zu kommentieren, ohne es „besser zu wissen“. Dabei habe ich feststellen müssen, wie schwer es fällt, unseren eigenen Horizont an die Seite zu stellen. Doch genau das war der Schlüssel, ein möglichst exaktes Bild einer Frau mit dem Lebensweg von Lina zu zeichnen. Da sie eine literarische Person ist, durfte ich mir dabei natürlich Freiheiten erlauben.


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